Das Charisma Geheimnis (Buchreview)

Für viele ist Charisma eine Fähigkeit, die man nicht erlernen kann. Entweder man hat’s oder eben nicht. Wer meine Buchreviews schon länger verfolgt weiß, dass das nicht entfernter von meiner Weltsicht sein könnte.

Ich bin ein großer Verfechter der Auffassung, dass Talent überbewertet ist, sofern es überhaupt existiert. Ich glaube fest daran, dass die Dinge die wir gut können auf drei fundamentale Faktoren zurückzuführen sind:

  • Ausreichend Erfahrung infolge von regelmäßiger Wiederholung
  • die richtigen Techniken und Strategien
  • Interesse und Spaß als Grundvorraussetzung, da man ansonsten nur schwer die ersten beiden Punkte erfüllen kann

Entsprechend denke ich auch, dass Menschen die uns als „natürlich charismatisch“ erscheinen einfach sehr früh angefangen haben charismatische Verhaltensweisen einzuüben. Vermutlich haben sie durch ihre Umwelt daraufhin eine positive Verstärkung erfahren, die zu einer Aufwärtsspirale führte.

Auch Olivia Fox Cabane die Autorin des Buches „Das Charisma Geheimnis“ folgt der Grundannahme, dass Charisma nicht angeboren, sondern erlernt sei. Andernfalls wäre es ja auch sinnlos ein Buch darüber zu schreiben. Daher habe ich mich besonders gefreut, als mir das Buch vom mvg Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde.


Die Charisma Formel

Auf den ersten 100 Seiten erinnert das Buch stark an die meisten Bücher zu Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Es geht darum ein solides Fundament zu schaffen, um die persönlichen Charisma Killer aus dem Weg zu schaffen. Man soll sich mit sich selbst beschäftigen, seine Ängste aus dem Weg räumen, am Selbstvertrauen arbeiten etc.

Ich will damit nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch ist. Immerhin schätze ich mich persönlich auch als jemanden ein, der überdurchschnittlich viele Bücher im Bereich persönliche Entwicklung gelesen hat und daher ist der Inhalt für mich nicht mehr ganz neu. Wer weniger bewandert in dem Bereich ist, wird daher hier eine Menge rausziehen können.

Aber auch als bereits bewanderte:r Leser:in kann man aus diesen Seiten durchaus etwas mitnehmen. Die Autorin verrät nämlich bereits zu Anfang, worauf atemberaubendes Charisma ihrer Meinung nach aufbaut.

Es gibt drei Kernfaktoren, die uns unwiderstehlich charismatisch machen:

  • Macht
  • Wärme
  • Präsenz

Macht und Stärke

Mit Macht ist ein gewisser Einfluss gemeint, der uns Stärke verleiht. Das kann Intelligenz sein, eine hohe Position, ein sehr selbstbewusstes Auftreten etc. es geht tatsächlich darum, den Anschein zu erwecken, dass man in der Lage sei über die Verbesserung des Lebens anderer Menschen verfügen zu können.

Ich benutze bewusst den Terminus „den Anschein erwecken“. Nicht, weil es in diesem Buch darum ginge zu blenden oder etwas aufzubauen, was man nicht ist. Dennoch müssen wir uns klar machen, dass Charisma etwas ist, was sehr subjektiv beim Empfänger passiert.

Ein Mensch kann einen großen Einfluss haben und es null ausstrahlen. Wenn niemand davon erfährt, dass er ein mächtiger Mensch ist, wird er diese Tatsache nicht für sein Charisma nutzen können.

Gleichzeitig kann auch jemand, der in der sozialen Hierarchie nicht so hoch ist, durch ein selbstbewusstes Auftraten den Anschein erwecken, er habe viel Macht.

Wärme und Empathie

Ich finde den Begriff Wärme, den die Autorin benutzt etwas schwammig. Ich denke im Endeffekt geht es hier um soziale Intelligenz und Empathie.

Zusammen mit Macht ist dies eine unschlagbare Kombination.

So strahlen wir aus, dass wir einerseits in der Lage wären für unser Gegenüber Berge zu versetzen (Macht und Stärke) und es andererseits auch tun würden (Wärme und Empathie).

Macht ohne Wärme lässt uns arrogant und kalt wirken. Diese Ausstrahlung flößt Menschen Respekt ein, führt aber allein nicht unbedingt zu unwiderstehlichem Charisma.

Wärme ohne Macht lässt uns hingegen schnell unterwürfig wirken. Wer ein hohes Maß an Verständnis aufbringt, aber gleichzeitig signalisiert, dass er oder sie in der Nahrungskette ganz unten steht, wirkt schnell bedürftig und abhängig.

Diese Menschen signalisieren uns: „Ich bin so nett, um nicht zu sagen schleimig, weil ich ohne deine Gnade keine andere Chance habe zu überleben“. Und auch das ist ein Charisma Killer.

Der Königsweg ist hier wohl zu signalisieren: Ich bringe dir Empathie entgegen, weil ich es kann und mich bewusst dazu entschieden habe. Nicht, weil ich es muss, denn ich könnte auch ohne dich.

Präsenz und Aufmerksamkeit

Ich glaube Aufmerksamkeit ist ein ziemlich unterschätzter Flex. Wir sind es gewohnt, dass wir fast nie die volle Aufmerksamkeit unseres Gegenübers bekommen.

Ich hasse es, wenn Menschen sagen, dass heutzutage alles so schlecht ist und früher alles besser war (weil es meistens nicht stimmt!). Aber hier muss ich einlenken, denn ich glaube, dass die ständige Erreichbarkeit und der pausenlose Zugriff auf Social Media tatsächlich irgendwie dazu führt, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne in den letzten 10 Jahren abgenommen hat.

Wie häufig bist du wirklich im Moment? Ich mein das gar nicht spirituell. Ich meine alleine: Wie häufig betreibst du Singletasking, statt Multitasking? Wann konzentrierst du dich wirklich auf eine Sache? Wann schreibst du einen Blogartikel ohne nebenbei Whatsapp oder Instagram zu checken? Als du das letzte Mal eine Serie geschaut hast, warst du da nebenbei an deinem Handy?

Und die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: In deinem letzten Gespräch mit einer anderen Person. Hast du da wirklich zugehört, was dein Gegenüber sagt oder hast du im Kopf schon hin und her überlegt, was du als nächstes antworten sollst oder wie du das Gespräch auf dich lenken kannst?

Ich will das nicht anprangern. Ich denke es ist normal. Doch wir können uns bewusst dagegen entscheiden. Wenn wir beginnen anderen Menschen unsere volle Aufmerksamkeit zu widmen, macht uns das unbeschreiblich charismatisch.

Nicht zuletzt, weil es so selten ist.

Fazit

Das Buch enthält viel interessantes. Die Kernthese allein lohnt für mich schon das Buch zu lesen. Sicher, am Anfang ist nicht viel Neues dabei. Aber das muss nicht schlecht sein, denn immerhin bin ich hier schon speziell und gleichzeitig schaden Wiederholung und Auffrischung nicht. Ab etwa der Hälfte wird es dann auch interessanter. Besonders gut gefallen hat mir, dass die Autorin die Charisma Stile verschiedener besonders charismatischer Persönlichkeiten erklärt hat. Darunter Steve Jobs und der Dalai Lama.

Um jetzt noch dem letzten Kritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen: Es geht nicht darum sich zu verstellen, sondern seine eigene Persönlichkeit zu bereichern. Indem man etwas Neues lernt. Das ist nicht unnatürlich und ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören, wenn Menschen auf Bücher wie dieses mit „Ich bin aber nicht so“ oder ähnlich reagieren.

Als ich in der Grundschule war, habe ich sehr viele Rechtschreibfehler gemacht (wie höchstwahrscheinlich auch du. Und wenn du jetzt etwas anderes sagst, solltest du noch viel früher anfangen an deiner Persönlichkeit und deinem Ego zu arbeiten) als ich später gelernt habe, wie man richtig schreibt, habe ich auch nicht gesagt: „Aber ich verstelle mich nicht. Meine Persönlichkeit ist nun mal die eines Menschen, der hüpsch mit p schreibt. Wenn ich jetzt anfangen würde hübsch mit b zu schreiben, wäre das nicht mehr ich“

Nein, ich habe mich nicht verstellt. Ich habe mich weiterentwickelt, indem ich etwas dazulerne und mich einem Ziel (fehlerfrei schreiben) annähere.

So ist es auch in der persönlichen Entwicklung. An seiner Persönlichkeit zu arbeiten bedeutet nicht, dass man sich verstellt oder zu etwas wird, was man nicht ist. Man überlegt viel mehr, wie man sich gerne entwickeln möchte und legt dann nach und nach die richtigen Weichen, um sich diesem Ziel anzunähern.

Ich denke daher, dass das Buch für jeden geeignet ist.